Prof. Dr.-Ing. T. Harriehausen 
Fachbereich Elektrotechnik
FH-HomeFH-Home

 Der Bologna-Prozess und die Folgen für die Ausbildung von Ingenieuren der Elektro- und Informationstechnik  

Was die Politiker verschweigen - Fragen und Antworten:

  1. F: Wird durch die Einführung der Bachelor-/Master-Abschlüsse die internationale Vergleichbarkeit der deutschen Hochschulabschlüsse verbessert?

  2. A: Mit Sicherheit nicht. Während es bisher ein einigermaßen einheitliches Niveau der Diplomabschlüsse (Uni bzw. FH) in Deutschland gibt, wird es bald eine Vielzahl von Bachelor- und Master-Abschlüssen mit den unterschiedlichsten Qualifikationen und Qualitäten, aber gleichem Namen geben. Es ist absehbar, dass deshalb auch in Deutschland ein Hochschulranking, wie es in GB und den USA üblich ist, eingeführt werden muss, um den Arbeitgebern den Wert eines bestimmten Abschlusses von einer bestimmten Hochschule zu vermitteln. (Es steht zu befürchten, dass ein solches Ranking in Deutschland durch eine hierfür nicht qualifizierte, selbst berufene Organisationen erfolgen wird, die hiermit lediglich finanzielle und machtpolitische Ziele verfolgt.)
    Hier zeichnet sich das auch in anderen Bildungsbereichen signifikante Süd/Nord-Gefälle innerhalb Deutschlands ab: Während in Bayern und Baden-Württemberg versucht wird, in hohes Niveau der Hochschulabschlüsse beizubehalten, orientiert man sich im sozialistischen Norden Deutschlands traditionell eher am untersten möglichen Qualitätsniveau.
  3. F: Wird die Berufsqualifikation der Hochschulabgänger in Deutschland verbessert?

  4. A: Im Mittel mit Sicherheit nicht. Es ist aber zu hoffen, dass die teilweise unerträglichen Verweilzeiten von Studierenden an den Hochschulen verkürzt werden. Weiterhin ist zu hoffen, dass künftig die große Mehrzahl der Studierenden (nämlich diejenigen, die nicht in die Forschung gehen oder Hochschullehrer werden wollen) etwas praxisorientierter und koordinierter ausgebildet wird. Ob die Universitäten in 3-4 Jahren berufsfähige Bachelors ausbilden können, wird sich zeigen. Dass an Stelle des erwiesenermaßen berufsqualifizierenden Abschlusses des Dipl.-Ing. (FH) für die Mehrzahl der Studierenden an Fachhochschulen ein niveaumäßig prinzipiell darunter liegender Bachelor-Abschluss treten soll, ist unsinnig und unverantwortlich.
  5. F: Ist das politische Ziel, 80% der Studienabgänger mit einem Bachelor-Abschluss in die Industrie zu entlassen, sinnvoll und realistisch?

  6. A: Das muss die Praxis zeigen. Es ist wahrscheinlich, dass die Industrie den Aufwand, eingestellte Bachelors durch interne Weiterbildung auf das Niveau der bisherigen Diplomingenieure zu bringen, zu teuer zu stehen kommt. Wenn diese Erkenntnis sich durchsetzen sollte, wird die Politik eventuell eine Korrektur der Bildungsreform vollziehen und wieder ein höheres Ausbildungsniveau zulassen müssen. Damit ist aber - wenn überhaupt - erst in ca. 10 Jahren zu rechnen.
  7. F: Ist die Planung der Politik, dass 20% der Bachelor-Absolventen nach Eintritt in das Berufsleben noch einen Master-Abschluss nachholen werden, realistisch?

  8. A: Wer im Berufsleben erfolgreich ist, wird von einem Unternehmen in der Regel nicht freiwillig für 1-2 Jahre für einen zweiten Studienabschnitt freigestellt. Also wird ein späterer Master-Abschluss im Regelfall wohl nur zusätzlich zur Berufstätigkeit in der Freizeit erarbeitet werden können. Diese Doppelbelastung wird nur in Ausnahmefällen zu bewältigen sein. "Abhilfe" könnte eine massive Flexibilisierung des Ingenieur-Arbeitsmarktes (hire and fire) nach US-amerikanischem Muster bringen.
  9. F: Ich höre und lese teilweise, dass der Bachelor-Abschluss an der FH genauso gut ist wie das ehemalige FH-Diplom. Was soll ich davon halten?

  10. A: Solche Aussagen können stimmen. Es kommt darauf an, welches Niveau der vorherige Diplomabschluss an der FH hatte. Äusserungen wie "wir haben Ballast abgeworfen", "wir haben abgespeckt" oder "wir konzentrieren uns jetzt auf das Wesentliche" zeigen, dass das vorher angebotene Diplomstudium wohl Optimierungspotential aufwies, das im Rahmen der Umstellung auf die neuen Abschlüsse genutzt wurde. Wenn die Diplomstudiengänge aber bereits gehalt- und sinnvoll konzipiert waren und ständig weiterentwickelt wurden, so ist allein im Rahmen der verminderten zulässigen Wochenstunden - und Semesterzahl der Lehrveranstaltungen zumindest prinzipiell ein Qualitätsverlust zu erwarten.
  11. F: Durch die Vereinheitlichung der Abschlüsse ist es also gleichgültig, ob ich z.B. an einer Uni oder einer FH meinen Bachelor-Abschluss mache?

  12. A: Nein, absolut nicht. Die Präsidenten führender deutscher Universitäten hatten genug Rückgrat, offen gegenüber der Politik zu äußern, dass es an einer Uni nicht möglich ist, innerhalb von wenigen (4 .. 8) Semestern einen berufsqualifizierenden Bachelorabschluss in einem ingenieurwissenschaftlichen Studiengang zu erreichen. Sie stehen auf dem Standpunkt, dass erst ein Masterabschluss, der theoretisch mit einem 10-semestrigen (in der Praxis an einer Uni aber deutlich längeren) Studium verbunden ist, berufsqualifizierend sein kann.
    Die FH-Bachelors sind prinzipiell aber genau darauf getrimmt, dass sie immer noch berufsqualifiziernd sind.
    Wer also einen Bachelor-Abschluss anstrebt, sollte nicht an eine Uni, sondern eine FH gehen.
    Wer in die Forschung will (und daher einen Masterabschluss machen sollte), sollte nicht an eine FH, sondern gleich an eine Uni gehen.

Quellen zum "Bologna-Prozess"

Hintergrund-Informationen

Statistiken

Akademische Organisationen

Ingenieur-Organisationen

Industrie-Vertreter Hochschullehrer-Vertretungen Politische Organisationen Akkreditierung

Informationen zum Thema von anderen Hochschulen

Absichtserklärungen

Deutsche Gesetze und Verordnungen Verwandte Dokumente Glossare Links
Letzte Änderung: 8.10.2004; Copyright ©  Prof. Dr. T. Harriehausen, Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel, Fachbereich Elektrotechnik